Immer wieder geht es beim Elternsein um das Thema Geduld. Was für ein Wort, bedeutet es doch, dass ich etwas ruhig (er)dulde bzw., dass man etwas Unangenehmes erträgt.
Mit einer fast 1 1/2 Jährigen gibt es nun viele Anlässe für „Geduldsproben“. In der wörtlichen Bedeutung von Geduld aber auch aus meiner Erfahrung sind solche Geduldsproben dann Situationen, die geprägt sein können von Widerstand, Widerwillen, blanken Nerven, unkontrollierter Wut oder Zorn, dem Wunsch dass es endlich vorbei ist oder einfach nur lähmendem Warten.
Aber genau so will ich das nicht, weil ich solche Situationen in obiger Haltung, immer erschöpft und unzufrieden verlasse. Mama unhappy, Kind unhappy, Partner unhappy.
Ich sage anstatt von Geduld braucht es hier etwas anderes, nämlich Gelassenheit. Das schreibt sich jetzt natürlich leicht hier auf. Aber wie schaffe ich das? Warum bin ich in manchen Situationen gelassen und in anderen nicht?
- Die Kunst die Situation anzunehmen wie sie ist. Kaum bewege ich mich aus dem Widerstand in den „flow“ der Situation, wird es schon mal leichter. Sie will jetzt nicht in den Kinderwagen? OK, muss ich wo hin? Hab ich es eilig? Wie klar bin ich denn, mit dem Müssen? MUSS ich wirklich? Sobald ich das Müssen loslasse und ihr die Zeit gebe die sie braucht um in den Kinderwagen zu klettern und ich sie nur dabei beobachte, bin ich nicht mehr die, die ungeduldig wartet, sondern die, die teilnimmt an dem was gerade passiert. Ich bin im Hier und Jetzt. Interessanterweise gehts dann auch schneller als ich gedacht habe und vor allem ohne Widerstand.
- Die Kunst neugierig zu sein. „You know you are face-to-face with the unfinished business of your own childhood when you respond with strong negative feelings to your child’s behavior.“, Hendrix and Hunt 1997, Giving Love That Heals. Ich hab diesen Satz in einem Artikel von Scott Noell gelesen und er geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Da steht also, wenn ich ungeduldig werde, die Nerven verliere, dann vielleicht wütend oder zornig werde, dann bin ich mit Themen konfrontiert, die ich aus meiner eigenen Kindheit, noch nicht bearbeitet habe. Ja, das ist bei mir oft so und Jesper Juul würde nun sagen, Kinder kooperieren immer, ja einfach IMMER. Eben auch wenn es ihre Aufgabe ist mich darauf hinzuweisen, dass es noch Bereiche gibt bei denen ich noch genauer, achtsam und neugierig hinschauen darf.
- Die Kunst die Zeit gut (für sich) zu nutzen. Oh das ist mein Lieblingspunkt, weil er einfach so kraftvoll ist. Anstatt zu warten und Dinge, oder eben Kinder, kontrollieren zu wollen, die einfach nicht zu kontrollieren sind, mache ich Dinge die gut sind FÜR MICH. Vorausgesetzt meine Tochter ist nicht in Gefahr und sie braucht mich gerade nicht. Zum Beispiel das abendliche ins Bett bringen. Meine Tochter hat es gerne, wenn wir noch ein Buch lesen, vielleicht auch 2-3mal, sie sucht sich da einfach aus, was sie ansehen will. Manchmal schläft sie dabei an, manchmal will sie aber noch das Schlafzimmer erobern, die Lampe 300x ein- und ausschalten oder einfach noch spielen. Bevor ich die Kunst die Zeit gut zu nutzen perfektioniert habe, habe ich oft folgende Gedanken gehabt, warum schläfst du nicht, ich will wieder raus gehen, ich will meinen Abend genießen, geh bitte endlich ins Bett. Ich bin ungeduldig geworden und wollte einfach nicht mehr warten. Seit ein paar Monaten fange ich an zu lesen, ich sage ihr dann, dass sie noch spielen kann oder machen kann was ihr gefällt, und dass ich hier im Bett liegen werde und lese. Ich sage ihr, dass sie jederzeit zu mir kommen kann, wenn sie etwas braucht oder wenn sie schlafen will. Mittlerweile weiß sie schon, dass zuerst ihre Bücher dran sind und dann meine. Manchmal schaffe ich keine einzige Seite, manchmal ein ganzes Kapitel. Einschlafen ist jetzt meistens entspannt für mich, weil ich die Zeit einfach gut nutzen kann.
- Die Kunst die Kontrolle abzugeben. Wie vorhin schon erwähnt. Ich habe keine Kontrolle, schon gar nicht über mein Kind. Ja der Punkt ist nicht länger, dafür aber umso wichtiger.
- Die Kunst bei sich zu bleiben. Folgende Situation fällt mir hier ein. Meine Tochter brüllt im Bus, weil sie bei einer Station aussteigen will, wir aber noch weiterfahren. Ich muss sie festhalten. Sie brüllt noch mehr. Der ganze Bus schaut mich an. Bleibe ich bei mir, kann ich ihr entspannt aber bestimmt sagen, warum ich sie festhalte und dass ich sie jetzt auch nicht loslassen kann, weil es zu gefährlich ist. Ich kann ihr auch ruhig sagen, dass wir noch weiterfahren und ich noch nicht aussteigen will. Sie beruhigt sich. Versteht mich. Alles gut. Bin ich im außen bei den Leuten, die mich alle anschauen, meine Aufmerksamkeit also nicht bei meiner Tochter, geht alles furchtbar in die Hose. Ich finde keine klaren Worte, weil ich die Leute beobachte und mir denke, was sie sich denken. Meine Tochter wird immer lauter. Ich packe sie noch fester. Sage ihr vielleicht noch, sei bitte leise. Oder mache shhhh (was heißt das eigentlich!?). Bald wird’s mir zuviel, ich steige aus. Nerven blank. Alles andere als Ideal.
Ja, natürlich reißt mir auch mal der Geduldsfaden. Die obigen 5 Punkte in Erinnerung zu rufen, hilft mir jedoch dabei mich daran zu erinnern, dass es auch anders geht und dass wir hier sind, damit es uns gut geht.